Gewaltprävention im öffentlichen Dienst und Ehrenamt - Fachtag mit Verleihung des UKBW-Preises

16.07.2024

Auf der Fachtagung diskutierten Vertreter von Unfallkasse Baden-Württemberg, Politik, kommunalen Spitzenverbänden und Wissenschaft, wie sich Gewaltprävention im öffentlichen Dienst und Ehrenamt effektiv in der Praxis umsetzen lässt.

Sowohl Beschäftigte in öffentlichen Verwaltungen als auch Ehrenamtliche sehen sich zunehmend Gewaltsituationen ausgesetzt. Aber was können Arbeitgebende oder Träger ehrenamtlicher Strukturen tun, um sie vor verbalen Angriffen und Bedrohungen sowie körperlicher Gewalt zu schützen und sie darauf vorzubereiten?
Mit dem UKBW-Preis zeichnet die Unfallkasse Baden-Württemberg (UKBW) zum dritten Mal gelungene Arbeitsschutz-Konzepte aus der Praxis aus – dieses Mal zur Gewaltprävention. Im Mittelpunkt stehen Kommunen und Betriebe des öffentlichen Dienstes, die mit ihren Umsetzungen Beispiele geben, die zum Nachahmen anregen. Auf die drei Gewinner wartet ein Preisgeld von insgesamt 30.000 Euro. In kurzen Filmtrailern werden die ausgezeichneten Gewinner-Projekte vorgestellt.
Thomas Strobl, Stv. Ministerpräsident und Minister des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen Baden-Württemberg betont auf der Veranstaltung: „Wir nehmen es nicht tatenlos hin, wenn Bürgerinnen und Bürger, die Ämter und Mandate im Haupt-, Neben- oder Ehrenamt übernehmen, angefeindet, bedroht oder gar körperlich angegangen werden. Sie sind ein Eckpfeiler unserer Demokratie und stehen Tag für Tag für die Werte unserer Gesellschaft ein. Der Fachtag heute zeigt: Gewalt sowie Hass und Hetze haben bei uns keinen Platz – dagegen gehen wir gemeinsam und konsequent vor.“
Markus Higel, stellvertretender Geschäftsführer der UKBW, stellt fest: „Die große Resonanz des Fachtags zeigt das starke Interesse an Sicherheits-und Gesundheitsthemen. Als UKBW beraten wir umfassend und zielgerichtet, um den Arbeitsschutz und damit auch die Gewaltprävention vor Ort in den Kommunen und Betrieben des öffentlichen Dienstes praxisorientiert umzusetzen. Unsere UKBW-Akademie bietet dazu zahlreiche Weiterbildungsmöglichkeiten für Beschäftigte und Führungskräfte.“
Ralf Broß, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Städtetags Baden-Württemberg, spricht das Thema Arbeitsschutz an: „Das ist ein wichtiger Punkt, denn in der Verwaltung wird das Gefährdungspotential oft unterschätzt. Städte haben in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht und geeignete Strategien entwickelt, um die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu gewährleisten. Gleichzeitig legen sie großen Wert darauf, die Bürgernähe zu erhalten. Zahlreiche Städte haben auch dafür schon gute Beispiele etabliert, die als Vorbild für andere dienen können.“
Steffen Jäger, Präsident und Hauptgeschäftsführer des Gemeindetags Baden-Württemberg macht sich stark für den Schutz der Kommunalbediensteten: „Insgesamt gilt: Null Toleranz für Hass und Hetze. Die Beschäftigten bringen sich mit Haut und Haaren, mit ganzer Kraft häufig an sieben Tagen in der Woche für das Allgemeinwohl, für ein funktionierendes gesellschaftliches Zusammenleben ein. Ein Angriff auf sie ist ein Angriff auf unsere verfassungsrechtlichen Werte und letztlich ein Angriff auf uns alle. Dazu kann die jüngst vorgestellte Landeskonzeption zur Verhinderung von Gewalt gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst einen wichtigen Beitrag leisten. Wichtig für die Kommunen ist dabei immer, dass Maßnahmen vor Ort umsetzbar sind und praxisorientiert ausgestaltet werden können.“
Edgar Wolff, Präsidiumsmitglied des Landkreistages Baden-Württemberg und Landrat des Landkreises Göppingen, zeigt sich besorgt über den zunehmenden Hass und die zunehmende Hetze gegen die Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung. „Gewalt gegen Beschäftigte im öffentlichen Sektor muss verhindert werden. Die heute prämierten Good-Practice-Beispiele zeigen einen kleinen Ausschnitt der bereits bestehenden Initiativen zur Gewaltprävention und helfen dabei gute Ideen in die Fläche zu tragen.“
Die Teilnehmer auf dem Podium diskutierten in drei Talkunden vor welchen Herausforderungen der öffentliche Bereich steht und wie Gewaltprävention in der Praxis gelingt. Der Schutz und die Gesundheit der Menschen, die in Verwaltungen, bei der Feuerwehr, im Krankenhaus und in anderen öffentlichen Bereichen arbeiten, muss an erster Stelle stehen, wie alle Podiumsteilnehmer betonten.
Die Referenten am Nachmittag waren Dr. Holger Pressel, welcher zum Umgang mit Gewalt am Arbeitsplatz sprach, Gerd Weissenberger, der über Deeskalationsstrategien im Umgang mit hoch erregten Bürgern referierte und Dr. Daniel Köhler, welcher auf die neuen Hasskulturen im Netz einging und die Gefahren für die Offline-Gesellschaft beleuchtete. Das interessierte Publikum bekam zu den Best-Practice-Beispielen vom Vormittag somit noch vertiefte Einblicke aus Forschung und Praxis. Das Angebot der aufgebauten Info-Stände im Kursaal rundeten den Fachtag ab.
Im Rahmen des Fachtags wurden drei Best-Practice-Projekte der Gewaltprävention mit jeweils 10.000€ ausgezeichnet. Die Preisträger waren:

Landratsamt Ravensburg: Umsetzung 3-Zonenprinzip mit Alarmierungsmöglichkeit
Im Zuge der Südflügelsanierung des Landratsamtes Ravensburg wurde baulich ein 3-Zonenprinzip verfolgt und ein System zur stillen Alarmierung installiert. Die Maßnahmen umfassen die Umsetzung des 3-Zonenprinzips in Beratungs- und Kundenzonen sowie die Pilotierung eines Notfall- und Gefahren-Reaktions-Systems (NGR-System). Gemeinsam mit einem Risikomanager wurde ein umfassendes Sicherungskonzept erarbeitet. Die lokale Kooperation mit Polizei und Risikomanagement ist vorbildlich und Blaupause für öffentliche Institutionen.

Landratsamt Rastatt: Null Toleranz bei Gewalt - Gewaltprävention im Fokus
Mit dem Konzept „Null Toleranz bei Gewalt“ fokussiert das Landratsamt Rastatt eine nachhaltige und ganzheitliche Gewaltprävention. Der Landrat erklärt dabei Arbeitsschutz zur Chefsache. Gewaltprävention ist in die Gefährdungsbeurteilungen integriert, und technische, organisatorische sowie personelle Maßnahmen greifen ineinander. Mitte 2023 wurde die gleichnamige Projektgruppe „Null Toleranz bei Gewalt“ gegründet, die eine Broschüre für Mitarbeitende und Führungskräfte, Workshops und umfassende Maßnahmen, einschließlich baulicher Anpassungen implementierte.

Landeshauptstadt Stuttgart: Handlungsleitfaden zum Umgang mit Übergriffen und traumatisierenden Ereignisse
Die Verwaltung und der Personalrat der Landeshauptstadt Stuttgart arbeiten seit Jahren daran, den Schutz der Mitarbeitenden vor physischen und verbalen Übergriffen zu verbessern. Mitte 2022 wurde ein beispielhafter Handlungsleitfaden veröffentlicht, der präventive Maßnahmen, Soforthilfe bei Übergriffen und Nachsorgemöglichkeiten

beschreibt sowie an die aktive Rolle der Führungskräfte in allen Handlungsfeldern der Gewaltprävention appelliert. Selbst Sonderthemen wie Reichsbürger und Cyberangriffe werden behandelt. Der Oberbürgermeister betont den Arbeitsschutz als Chefsache.


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